Würden Bienen Laschet wählen?

Nein, Bienen würden Laschet nicht wählen! Denn CDU und CSU behindern den Insektenschutz. Vielleicht verhindern sie ihn sogar, wenn sie die Abstimmung über das „Insektenschutzgesetz“ im Bundestag erneut blockieren oder dessen Inhalt endgültig verwässern. Das gleiche Spiel findet im Bundesrat statt, wo eine Gesetzesänderung zum „Pflanzenschutz“ vertagt wurde. Es könnte sein, dass die Legislaturperiode ohne das jahrelang verhandelte Gesetzespaket zu Ende geht.

So etwas gibt es fast nur noch in Gärten und in Naturschutzgebieten: Hummel an Salbeiblüten. | Foto: Florian Schwinn

Die Union bangt womöglich um die wenigen Stimmen der „konventionellen“ Landwirtinnen und Landwirte und rechnet damit, dass Naturschützer sowieso nicht schwarz wählen. Sie hört lieber auf die Einflüsterungen des Bauernverbands als auf die Wissenschaftler, die vor dem Verlust der sechsbeinigen Biodiversität und dessen Folgen für uns alle warnen.

Agrarlobby stoppt …

Eigentlich war alles längst verhandelt. Der Kompromiss zwischen dem Umweltministerium und dem Landwirtschaftsministerium war vom Bundeskabinett und auch von Umweltpolitikern der Koalitionsfraktionen abgenickt. Die Forderung der Bundesländer, eigene Insektenschutzprogramme zusammen mit der Landwirtschaft auflegen zu dürfen, war berücksichtigt, finanzielle Unterstützung für die Landwirtschaft waren vorgesehen. Und dann blockierte die „Agrarseite der Union“, wie das Carsten Träger, der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, in einer wütenden Erklärung nannte. So ist das halt, wenn man die Agrarlobby direkt in der Bundestagsfraktion sitzen hat.

Viele Landwirtinnen und Landwirte, die die übliche Ausbildung genossen, also Pestizid gelernt haben, können sich kaum vorstellen, dass es auch ohne Ackergifte geht. Das Recht, zu spritzen, Pflanzen und Tiere zu vergiften, ist verinnerlicht. Ein Spritzverbot, und sei es nur partiell und für einige Mittel, wird als Enteignung wahrgenommen. Deshalb kämpft der Bauernverband, munitioniert mit den Argumenten der Chemieindustrie, um jeden Quadratmeter Land.

Aber auch die andere Seite hat Lobbyisten und auch die Naturschützer sind gerne mal unversöhnlich. Und sie haben es in zäher Kleinarbeit geschafft, ein paar Flächen der Feldspritze zu entziehen, wenn Bundestag und Bundesrat so entscheiden.

Alltag auf unseren Äckern: Herbizide, Fungizide, Insektizide – es gibt ständig etwas, was weggespritzt werden muss. | Foto: Erich Westendarp

… löchrigen Insektenschutz

Der Insektenschutz soll mit einem Paket von Gesetzesänderungen vorangebracht werden. Dazu gehören Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz, die der Bundestag beschließen muss, und Änderungen bei der Regelung mit dem schönen Namen Pflanzenschutzanwendungsverordnung, die der Bundesrat beschließen muss. Wie der Bundestag hat auch der Bundesrat bei seiner vergangenen Sitzung das Thema vertagt. Die Unions-Agrarier im Bundestag wollen jetzt auch noch die Pflanzenschutzverordnung verändern, mit der sie sich gar nicht zu befassen haben. Da soll noch eine Entschädigungspflicht hineingeschrieben werden. Die Bäuerinnen und Bauern sollen Geld dafür bekommen, dass sie nicht spritzen.

Dass die Landwirtschaftsbetriebe Ausgleichsgelder erhalten, wenn sie etwas für den Landschaftsschutz oder den Naturschutz tun, was für sie Mehraufwand oder Mindereinnahmen bedeutet, das ist einsichtig. Hier aber sollen sie bezahlt werden, weil sie etwas unterlassen, was nachweislich schädlich ist, und damit auch noch Spritzmittel sparen.

Dabei sollen die Einschränkungen für den Einsatz der sogenannten Pflanzenschutzmittel, in diesem Fall der Mittel, die Insekten töten, nur in nationalen Schutzgebieten gelten, und in den FFH-Gebieten, die Wald oder Grünland umfassen. FFH-Gebiete sind europäische Schutzgebiete nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU. Wo in solchen Gebieten Ackerbau betrieben wird, soll weiter gespritzt werden können, auch in Sonderkulturen wie Obst, Wein oder Gemüseanbau. Außerdem soll die Giftspritze an Gewässern nicht mehr eingesetzt werden. Der Streifen ohne Insektenvernichtungsmittel soll aber nur fünf Meter breit sein, wenn es sich um Grünland handelt, bei Äckern sollen zehn Meter giftfrei bleiben. Gilt aber nicht für jeden Bach oder Graben, sondern nur für wasserwirtschaftlich bedeutende Gewässer.

Ohne Zweifel sind das alles neue Vorschriften, die den Einsatz der sogenannten Pflanzenschutzmittel, die eigentlich Insektenvernichtungsmittel sind, nicht überschaubarer machen. Je genauer man hinschaut und nachliest, desto löchriger und weicher erscheinen aber die geplanten Veränderungen. Und desto weniger versteht man, oder verstehe wenigstens ich, die ganze Aufregung der Agrarlobby.

Glyphosat am Ende?

Hart und klar erscheint bei dem ganzen Regelwerk nur das Ende des Pflanzenvernichtungsmittels Glyphosat. Das soll ab 1. Januar 2024 verboten sein. Die Klarheit endet dann aber auch sofort wieder. Das Verbot tritt nämlich nicht in Kraft, falls Glyphosat auf EU-Ebene noch einmal zugelassen wird. Und – wie war das bei der letzten zeitlich begrenzten Zulassung von Glyphosat in der EU, wessen Stimme war da ausschlaggebend: die des deutschen Landwirtschaftsministers. Der hieß 2017 Christian Schmidt, kam von der CSU, und war nur noch geschäftsführend im Amt. Sein Ja zu Glyphosat in Brüssel war mit dem Bundeskabinett nicht abgesprochen. Der Alleingang eines Agrarlobbyisten. So kann das 2023 wieder funktionieren, wenn dann das Ministeramt wieder mit einem solchen Kaliber besetzt ist.

In das Bundesnaturschutzgesetz, über das der Bundestag abstimmt, soll ein Biotopschutz für artenreiches Grünland und Streuobstwiesen hineingeschrieben werden. Dort dürfen keine Insektizide mehr ausgebracht werden, die Bestäuber wie Bienen schädigen können und auch keine Herbizide mehr, die Unkräuter bekämpfen. Streit gibt es darüber, was artenreiches Grünland ist, und auch darüber, ob die Kirschfruchtfliege doch bekämpft werden darf, weil die Kirschernte in den Streuobstwiesen sonst ganz ausfalle.

Plattgefahren und totgespritzt: Treckerspuren im Weizenfeld. Früher waren solche Stellen Biotope für Heuschrecken. Heute zirpt da nichts mehr. | Foto: Florian Schwinn

Keine Regel ohne Ausnahme

Das Einzige, was unstrittig zu sein scheint, ist die Bekämpfung der Lichtverschmutzung. Millionen von Insekten sterben am nächtlichen Kunstlicht, weshalb Vorschriften zur Eindämmung der Lichtverschmutzung in das Bundesnaturschutzgesetz geschrieben werden sollen. Gelten sollen die aber auch wieder nur für Schutzgebiete.

Ansonsten ist das gesamte Insektenschutzpaket ein Flickwerk aus Regeln und Ausnahmen, Länderöffnungsklauseln und Entschädigungen fürs Nichtstun. Und darüber streiten sich nun die beiden befassten Ministerinnen und deren Ministerien seit Jahren, das Bundeskabinett seit Monaten, und dann die Parlamentarier noch einmal seit Wochen.

Der Bundestag kann die Abstimmung nun nicht mehr allzu oft verschieben, denn im Juli droht die Sommerpause. Aber vielleicht ist es ja das, was die „Agrarseite der Union“ erreichen will: das Gesetzespaket blockieren, bis diese lästige Umweltministerin Geschichte ist. Dann muss sich die nächste Bundesregierung damit beschäftigen. Und dass die wieder unionsgeführt ist, dessen sind sich die Abgeordneten von CDU und CSU seit der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt sicher. In der Zwischenzeit wird auf den Äckern und Wiesen weiter gespritzt und gestorben. Übrigens: Wer „konventionell“ hergestellte Lebensmittel kauft, stützt dieses System. Aber wem sage ich das …

Während ich das schreibe, fahren fleißige Landwirte mit ihren Feldspritzen am Haus vorbei. Gleichzeitig schickt uns der Nabu in diesen Tagen in den Garten. Wir sollen Insekten zählen. Was fliegt, was summt, was kriecht da? Wenn wir nicht in den Garten gehen, um Blüten abzuklappern und eine Stunde Citizens-Science zu betreiben, sondern auf den nächsten Acker, sind wir mit dieser Aufgabe schnell durch und die Liste der Arten für den Nabu passt auf einen Bierdeckel.


Insektenzählen mit dem Nabu: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/insektensommer/index.html