Eine Frage der Haltung

So wie diese Angler-Sattelschweine dürfen unsere Schweine selten leben: Das ganze Jahr über draußen. | Alle Fotos: Florian Schwinn

Es geht um Schweine, unsere meisten Nutztiere. Mit Vorschriften für deren Haltung will Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir die staatliche Haltungskennzeichnung beginnen und damit den Einstieg in den Umbau der Tierhaltung in Richtung Tierwohl. Das Gesetz ist in der ersten Lesung durch den Bundestag, die zweite und dritte folgen demnächst. Danach können Fleischesser an der Kühltheke erkennen, wie die Tiere gehalten wurden. Theoretisch!

Fünf Haltungsstufen soll es geben. Die unterste ist die staatlich verordnete Mindestanforderung, die höchste ist Bio. Womit die Probleme schon anfangen. Denn die EU-Bio-Verordnung setzt niedrigere Standards als zum Beispiel Neuland. Und das ist eine Marke, die seit den 1980er Jahren eben genau den Standard setzt. Getragen werden Verein und Marke vom Deutschen Tierschutzbund, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland BUND und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft AbL.

Neuland

Neuland ist kein Biolabel, sondern eben ein Markenprogramm. Das einzige in Deutschland übrigens, das mit Genehmigung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung mit besonders artgerechter Tierhaltung für sich werben darf.

Die Neuland-Richtlinien für die Schweinehaltung sind dann auch schärfer als die Anforderungen der Europäischen Union für das Biosiegel. Bio ist also schlechter als Neuland. Dennoch soll Bio bei der neuen gesetzlichen Haltungskennzeichnung die höchste Stufe sein. Was ist also Tierwohl in Zukunft – und wie geht es unserem meisten Nutztier, dem Schwein, oder wie soll es ihm gehen?

Um das herauszufinden, habe ich einen Neuland-Betrieb aufgesucht. Ich war bei Martin Schulz im Wendland. Er bewirtschaftet zweihundert Hektar Land, davon sind 65 Hektar Grünland, zum Teil in den Elbauen. Von diesem Land ernährt er bis zu neunhundert Schweine. Unter anderem mit deren Mist füttert er die Biogasanlage, die Strom produziert und Fernwärme für die Häuser im Dorf. Die Gärreste sind Dünger für die Felder.

Ja, richtig gelesen: In Quickborn entsteht Strom und Wärme aus Mist. Es gibt keine Gülle auf diesem Hof, denn die Schweine stehen nicht auf Spaltenböden, also nicht auf Betonboden mit Ritzen, durch die Urin und Kot nach unten fallen. Die Tiere leben auf Einstreu aus Heu oder Stroh, in dem sie wühlen können. Und sie haben einen immer offenen Auslauf nach draußen.

Als Martin Schulz den Hof von seinen Eltern übernahm, war das ein kleiner konventioneller Betrieb mit gut dreißig Hektar Land, ein paar Sauen und zwölf Milchkühen. Das erste eigene Projekt des damals Neunzehnjährigen: die Schweine rauslassen. Er zimmerte ihnen Hütten als Unterschlupf und zäunte eine Wiese ein. Fertig war die Freilandhaltung. Und die Begeisterung des Jungbauern für die Schweine.

Als er dann die Milchkühe abschaffte, die er von den Eltern geerbt hatte, und die Spaltenböden im Kuhstall zubetonierte, hielten ihn die Kolleginnen und Kollegen in der Umgebung für verrückt. „Sie haben mich belächelt. Andere versuchen, sich weniger Arbeit zu machen, und ich fahre jetzt wieder mit der Mistkarre los.“

Neuland-Bauer und Vorsitzender des Arbeitskreises bäuerliche Landwirtschaft: Martin Schulz auf seinem Hof im Wendland. Alle Schweine haben Auslauf und leben auf Stroh- oder Heu-Einstreu.

Umsetzungsstau

Heute ist Martin Schulz Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft AbL und einer der Geschäftsführer von Neuland Nord. Und er ist einer der schärfsten Kritiker der von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir geplanten Haltungskennzeichnung für Schweine. Obwohl diese genau die Kommission forderte, der er bis heute angehört. Die sogenannte Borchert-Kommission, benannt nach dem ehemaligen Bundeslandwirtschaftsminister, der sie leitet. Eigentlich heißt die Kommission „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ und eigentlich ist sie auch von der vorherigen Bundesregierung eingesetzt worden.

Die hatte aber nie die Absicht, die umstürzenden Vorschläge der Kommission zum tiergerechten Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland umzusetzen. Die derzeitige Regierung hat diese Absicht offenbar auch nicht, trotz grüner Führung im Landwirtschaftsministerium. Cem Özdemir hat die Arbeit der Kommission zwar gelobt, sein Gesetzentwurf zur Haltungskennzeichnung von Mastschweinen lässt aber nicht erkennen, dass er deren Vorschläge auch nur aufgreifen möchte.

Zuerst scheiterte der grundlegende Vorschlag des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, den tierhaltenden Betrieben den Umbau der Ställe und die Mehrarbeit durch mehr Tierwohl zu finanzieren. Die Kommission hatte dafür eine Abgabe auf Fleisch vorgeschlagen und langfristige Finanzierungsverträge mit dem Staat. Eine Fleischsteuer sei mit ihm nicht zu machen, sagte Finanzminister Christian Lindner. Eine einzelne Milliarde aus dem Haushalt gestand er dem Kollegen Özdemir für den Umbau der gesamten Tierhaltung zu.

Damit kann man nicht viel Umbau finanzieren. Vielleicht ist der Gesetzentwurf zur Haltungskennzeichnung für Schweine auch deshalb so kläglich ausgefallen. Vier konventionelle Haltungsstufen soll es geben. Die höchste Stufe ist dabei noch immer weit hinter dem zurück, was Neuland seinen Mitgliedsbetrieben abverlangt. Und über allem thront dann die Bio-Haltung nach EU-Verordnung, die ebenfalls noch weniger Tierwohl bietet als Neuland.

Mutlose Gesetzesvorlage

Martin Schulz sagt, er sei erschrocken gewesen, als er den Gesetzentwurf für die Haltungskennzeichnung für Schweine gesehen habe. Unambitioniert, mutlos, weit zurück hinter den Vorschlägen, die aus der Landwirtschaft selbst kommen. Das waren die Kommentare zum Gesetzentwurf zur Haltungskennzeichnung von Schweinen. Und das Schlimmste: Es sind noch nicht einmal alle Schweine von der Kennzeichnungspflicht erfasst. Die Sauen und die Ferkel bleiben zunächst außen vor. Und das geht gar nicht, sagt Martin Schulz.

Die strengen Vorschriften für die Haltung der Zuchtsauen sind bei Neuland der Preistreiber in der gesamten Schweinehaltung. Die sogenannte Kastenhaltung, bei der die Sauen wochenlang fixiert werden, um ihre Ferkel nicht zu erdrücken, soll in Deutschland ohnehin auslaufen. Die Muttersauen und ihre Ferkel sollen in Zukunft sehr viel mehr Platz haben. Allerdings erst in zwölf Jahren. Das Land Berlin hat vor allem gegen die Sauenhaltung und auch gegen die lange Übergangsfrist Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Das Bundesland hält die Regelungen zur Schweinehaltung in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung für verfassungswidrig. „Berlin wendet sich insbesondere gegen die mehrwöchige Fixierung von Sauen in Kastenständen“. So steht es auf der Netzseite der grünen Berliner Umweltsenatorin Bettina Jarasch.

In diesem Jahr werden die Karlsruher wohl darüber entscheiden. Wenn das Urteil kommt, sagt Martin Schulz, wird die Diskussion über die Tierhaltung und insbesondere über die Schweinehaltung in Deutschland noch einmal ganz neu Fahrt aufnehmen. Dann rückt das Thema noch einmal in den Fokus und es dürfte klar werden, dass das, was der grüne Bundeslandwirtschaftsminister mit seiner Haltungskennzeichnung vorgelegt hat, weit entfernt ist von dem, was eine Mehrheit der Deutschen und auch der Bäuerinnen und Bauern sich unter Tierwohl vorstellt.

Vielleicht hat Cem Özdemir auch deshalb die Sauenhaltung erst einmal außen vor gelassen, um am Ende nicht so vorgeführt dazustehen wie die letzte Bundesregierung, als ihr das Bundesverfassungsgericht die zu wenig ambitionierte Klimaschutzpolitik um die Ohren gehauen hat.

Weniger Schweine

Auf dem Weg durchs Wendland zu Martin Schulz hat mir das Autoradio erzählt, dass die Anzahl der in Deutschland gehaltenen Schweine im Jahr 2022 um über zehn Prozent zurückgegangen ist. Etwas mehr als 21 Millionen Schweine leben noch in deutschen Ställen. Hört sich sagenhaft viel an. Vor nur drei Jahren waren es aber noch fast fünf Millionen mehr. Auch die Zahl der schweinehaltenden Betriebe ist erneut gesunken, auf weniger als 17.000. Vor zwei Jahren gab es noch über 20.000 Schweinehöfe, um die Jahrtausendwende noch mehr als 120.000. Die Schweinebauern hören auf. Die Zahl der Schweine sinkt aber langsamer als die Zahl der Betriebe. Was heißt: Mehr Schweine leben in industrialisierten Großbetrieben. Und das ist wohl genau das, was jene Mehrheit, die für mehr Tierwohl votiert, nicht will.

Es macht nicht nur einen Unterschied, wie unsere Tiere gehalten werden, es macht auch einen Unterschied, wer sie hält. Ob sie in einem bäuerlichen Betrieb leben oder in einer Industrieanlage, die Konzernen oder Investoren gehört. Sagt Martin Schulz und verweist darauf, dass das auch etwas mit Ernährungssicherheit zu tun hat. Die gelte den meisten Menschen in Deutschland wohl als so sicher, dass sie sich darüber keine Gedanken machen. Ob das aber auch noch so ist, wenn unser Essen nur noch von Industriebetrieben hergestellt wird, die allein von Profit geleitet sind? „Die meisten bäuerlichen Betriebe denken doch anders.“

Immer neugierig, immer draußen: Rot-weiße Husumer Protestschweine im Schnee. Iris Rubbert züchtet die vom Aussterben bedrohte alte Schweinerasse mit der besonderen deutsch-dänischen Geschichte.

Draußennische

Ortswechsel. Wir springen von der Elbaue im Wendland nach Nordfriesland, auf die Halbinsel Eiderstedt in der Nordsee. Von der ehemals als Nische verlachten Schweinehaltung auf Stroh und Heu des Martin Schulz‘ in die noch neuere Nische der Freilandhaltung. Zurück zur Natur – in diesem Fall zu der der Schweine.

Zwischen dem Ferienort Sankt Peter Ording und dem Ausflugsziel Leuchtturm Westerheversand liegt der Hof von Iris Rubbert. Vor vier Jahren hat sie ihn gekauft, einen Resthof, also eine aufgegebene Landwirtschaft, allerdings mit immerhin vier Hektar Land. Und auf diesem Land direkt am Hof, da hält sie – na klar – Schweine.

Wie das bei Martin Schulz im Wendland am Anfang war, sind die Schweine hier auch das ganze Jahr über draußen. Es gibt keine Ställe, nur kleine Schutzhütten auf der Wiese. Die Sauen gebären ihre Ferkel auch in einer solchen Hütte im Stroh. Oder draußen, wenn sie wollen. Es gibt keinen Kastenstand, keine Abferkelbucht, keine Wärmelampe für die Kleinen.

  Dafür aber gibt es alte Nutztierrassen. Iris Rubbert hält Angler-Sattelschweine, schwedische Linderöd und neuseeländische Kunekune. Allesamt vom Aussterben bedrohte alte Schweinerassen. Und sie züchtet ein noch selteneres Schwein: das rotweiße Husumer Protestschwein.

Protestschwein

Das Husumer Protestschwein ist einen kleinen Exkurs wert.

Es ist entstanden, nachdem 1864 Preußen und das verbündete Österreich den Krieg gegen Dänemark gewonnen hatten und Schleswig und Holstein besetzten. Danach verboten die Preußen der dänischen Minderheit im heutigen Schleswig-Holstein, den Dannebrog zu zeigen, also die rot-weißen dänischen Farben.

Daraufhin holten sich dänische Schweinezüchter, die das schwarz-weiße Angler-Sattelschwein hielten, rote Duroc- oder Tamworth-Eber aus England. Gekreuzt ergab sich ein rot-weißes Schwein. Das lief danach durch die Gassen der Städte und Dörfer, wie das damals üblich war. Die unfreiwillig deutsch gewordenen Dänen zeigten also wieder ihre Farben.

Die Preußen setzten sogar eine Untersuchungskommission ein, um zu ermitteln, ob diese Schweine zufälliges Zuchtergebnis oder gezielte Provokation waren. Ergebnis: keines. Dennoch heißen die rot-weißen Husumer bis heute mit Beinamen Protestschwein. Und ihr Bestand ist gefährdet, weil alle alten Haustierrassen von den industriellen Züchtungen verdrängt wurden.

Kein Zutritt!

Mit der Schweinehaltung angefangen hat Iris Rubbert in ihrem großen Garten, damals noch an der Ostseeküste. Nachdem sie bei der Telekom aufgehört hatte, arbeitete sie zwei Jahre in einem konventionellen Ferkelzuchtbetrieb. Dort lernte sie die Schweine kennen – und lieben. Wie Martin Schulz hat sie sich verguckt in unser wohl intelligentestes, sicher aber neugierigstes Nutztier. Und sich dann gefragt, ob ihr Garten nicht auch für die Schweinehaltung taugen könnte.

Schweinebäuerin mit Arbeitsgerät: Iris Rubbert lässt in Poppenbüll auf der Halbinsel Eiderstedt seit vier Jahren die Sau raus – und den Eber und den Nachwuchs natürlich auch.

Nur, welches Schwein passt in einen Garten? „Eine schlecht gelaunte Zweihundert-Kilo-Sau möchte man ja nicht im Garten haben“, sagt Iris Rubbert. Und kam nach einigem Studium über Rasseschweine auf die neuseeländischen Kunekune Weideschweine. Die wurden ursprünglich von den Maori gezüchtet und dann von ein paar Wissenschaftlern vor dem Aussterben gerettet. Kunekune heißt in der Sprache der Maori „rund und dick“. Die Schweine sind klein, freundlich und tatsächlich Weideschweine, also mit Gras und Heu eigentlich schon zufrieden.

Irgendwann war der Garten an der Ostsee dann doch zu klein und es musste ein Resthof mit ein paar Hektar Land her. Der fand sich vor vier Jahren dann an der Nordsee. Und das Veterinäramt Nordfriesland genehmigte tatsächlich auch die Freilandhaltung. Was keineswegs üblich ist. Viele Veterinärämter sind da eher restriktiv. Schweine, die draußen leben, könnten ja zum Beispiel mit der Afrikanischen Schweinepest infiziert werden. Die könnte von Vögeln eingetragen werden. Äußerst unwahrscheinlich, aber der Konjunktiv verhindert vieles in diesem Land.

In Nordfriesland am Ende dann aber doch nicht. Iris Rubberts Schweine dürfen raus, allerdings mit hohen Auflagen. Das gesamte vier Hektar große Gelände muss mit einem festen Zaun umgeben werden, der fünfzig Zentimeter tief in die Erde gegraben ist. Innerhalb dieses Zauns gibt es dann noch weitere, die unter Strom stehen, denn die Schweine dürfen nicht zum Außenzaun gelangen. Sonst könnten sie ja Kontakt zu Wildschweinen bekommen, die es auf der Halbinsel Eiderstedt gar nicht gibt.

In Poppenbüll kann man sich jetzt anschauen, was die deutschen Hygiene- und Seuchenschutzverordnungen für Tiere und Menschen bedeuten. Kein Zutritt ist das Prinzip. Tier und Mensch bleiben getrennt. Nichts ist mit Hingehen oder gar streicheln. Die Tiere, die nur für uns leben, sind via Gesetz und Verordnung nicht zugänglich.

Mit Bedacht hat Iris Rubbert dann auch die Hütten, in denen ihre Sauen die Ferkel gebären, an den Zaun zur Straße hin gestellt. So können ihre Kunden oder Menschen, die das werden wollen, wenigstens von dort aus die Schweine beobachten.

Nose to Tail?

Anders als Martin Schulz, der seine Schweine über Neuland an Metzgereien, Kantinen und Mensen verkauft, ist Iris Rubbert auf die Direktvermarktung angewiesen. In Poppenbüll kann man jetzt Fleisch bestellen und es dann beim Schlachter abholen. Oder man kann gleich ein ganzes Schwein leasen. Das ist für Iris Rubbert die beste Art der Vermarktung. Wenn ihre Kunden ein Schwein auf Raten bestellen, dann zahlen sie jeden Monat siebzig Euro und am Ende nach vierzehn oder fünfzehn Monaten nur noch den Schlachter.

Damit muss die Schweinebäuerin das Futter nicht mehr für alle Tiere vorfinanzieren und ihre Kunden haben am Ende „ihr“ Schwein. Das allerdings überfordert viele dann doch, weshalb sie noch nicht allzu viele Schweine „verleast“ hat. Es gibt nicht mehr viele größere Familien, die mit einem zerlegten ganzen Schwein umgehen können und die entsprechend große Kühltruhe im Keller haben. Es sind auch noch nicht viele auf die Idee gekommen, sich ein Schwein zu teilen. „Viele können auch mit ganz vielen Teilen vom Schwein nichts anfangen“, sagt Iris Rubbert, „mit der Zunge oder dem Herz zum Beispiel. Und als Leber geht nur Rinderleber.“

Die von der Ökobewegung und vielen Foodbloggern propagierte Verwertung des ganzen Tiers – from Nose to Tail: Fehlanzeige. Oder vielleicht auch eine Erziehungsaufgabe für Direktvermarkter. Beim Biolandbetrieb Bunde Wischen, der mit Rindern Naturschutzgebiete pflegt, hat das geklappt. Da kaufen die Kunden zum Beispiel auch Zungenragout. Ähnlich bei der kleinen Bioladenkette Landwege in Lübeck. Die hat allerdings auch eigens eine Großküche eingerichtet, um den Kunden die Gerichte aufzubereiten. So etwas kann sich eine kleine Schweinebäuerin, die gerade erst angefangen hat, nicht leisten.

Nicht gewollt!

Was sie sich dagegen leisten muss, ist ein Kühlraum, der den Hygienevorschriften einer Metzgerei entspricht und entsprechend abgenommen ist. Denn nur so kann sie in Zukunft ihr Fleisch direkt an die Kunden abgeben. Zurzeit müssen ihre Kunden noch selbst zum Schlachter fahren und sich ihr Fleisch dort abholen. Oder sie holt die fertig abgepackten und vakuumierten Portionen mit dem dafür extra gemieteten Kühlanhänger und klappert dann ihre Kunden ab. Auf ihren Hof fahren und dort zum Abholen bereitstellen darf sie ohne den vorschriftsmäßigen Kühlraum nichts. Nicht einmal abgepackt und vakuumiert.

Angesichts der Flut von Vorschriften und Verboten, der sie sich bei der Schweinehaltung und Vermarktung gegenübersieht, fasst Iris Rubbert zusammen: „Es ist nicht gewollt!“ Was sie tut und viele andere Landwirte wohl auch gerne tun würden, die Tiere rauslassen und die Vermarktung selbst in die Hand nehmen, das sei nicht gewollt.

„Es sind so viele Vorschriften angeblich im Sinne der Lebensmittelsicherheit in diesem ganzen Prozess von Erzeugung und Vermarktung etabliert worden, dass es fast unmöglich gemacht wird, so etwas umzusetzen.“ Die Vorschriften seien für Großbetriebe und Lebensmittelketten gemacht und verhindern damit alles andere. „Es sind eben nur die Großbetriebe gewollt und es ist nur der Lebensmitteleinzelhandel gewollt. Es ist weder Direktvermarktung gewollt, noch sind kleine Schlachtereien gewollt, noch regionale Angebote.“

Und ob Tierwohl wirklich gewollt ist von der Politik, das steht auch noch in den Sternen. Wir werden sehen, was passiert, wenn irgendwann in diesem Jahr das Bundesverfassungsgericht die Schweinehaltungsverordnung kassiert. Seit 2019 läuft die Berliner Normenkontrollklage, im letzten Jahr schon hätte das Urteil kommen sollen. Nun wird es wohl in diesem Jahr fallen. Wir werden erfahren, was die Karlsruher Richterinnen und Richtern von der Politik dann wollen.


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