
Im Supermarkt oder auch im gut sortierten Bioladen vor dem Kühlregal mit den Milchprodukten hat man die Qual der Wahl: Welchen Bio-Joghurt nehme ich? Den, der aus der Region kommt, oder den von weiter weg, der aber mit etwas Besonderem wirbt? Was tun, wenn es den regionalen Joghurt gar nicht gibt, weil keine Biomolkerei wirklich in der Nähe ist?
Dann stellt sich die Frage: Ist eines der Milchprodukte im Kühlregal besser für die Welt? Will sagen: für die Um-Welt, für die daran beteiligten Tiere und die Bauern? Was bewirke ich mit meinem Kauf, wen und was unterstütze ich damit? Hintergrundwissen, das dieser Podcast zumindest für einen der Joghurts im Kühlregal liefert, für den nämlich, der einem ganz besonderen Projekt entstammt – dem Projekt »KlimaBauer«.
Initiative und Bauernverein
Klimabauer e.V. ist ein Verein von Milchbäuerinnen und Milchbauern in Bayern und so heißt auch eine Initiative der Biomolkerei in Andechs. Dorthin war ich zur Mitgliederversammlung des Vereins eingeladen, um etwas über die klimapositive Wirkung der Kuh auf der Weide zu erzählen.
Die Initiative KlimaBauer hat die Andechser Molkerei Scheitz vor fünf Jahren gestartet, indem sie die Betriebe, die die Molkerei beliefern, eingeladen hat, einem Bonusprogramm beizutreten, das sich um die Klimabilanz der Höfe kümmert, und gleichzeitig um Tierwohl und Artenvielfalt.
Entstanden ist die Initiative KlimaBauer aus drei Programmen, die die Andechser Molkerei zuvor schon angeboten hatte. Da gab es einmal ein Tierwohl-Programm, das dafür sorgen sollte, dass die Kühe und ihr Nachwuchs mehr Weidegang bekommen, als das bei Biohöfen ohnehin vorgeschrieben ist. Dann gab es ein Programm zur Förderung der Biodiversität, also der Artenvielfalt um die Höfe herum, und eines zur Bindung von Humus in den Böden, also zur Speicherung von Kohlenstoff aus dem CO2 der Luft.
»Und dann erklärten mir die Bauern: Das gehört doch alles zusammen«, sagt Barbara Scheitz, die Geschäftsführerin der Andechser Molkerei: »Wenn die Kuh auf die Weide geht, dann ist sie gesund und es geht ihr gut. Damit fördert sie auch die Biodiversität und im Boden der Weide bauen wir Humus auf.«
Das war der Nukleus des Projekts KlimaBauer. Dazu kam dann noch der Blick auf die Äcker und auf die Höfe selbst, auf Gebäude und Ställe und Maschinen. Das Projekt ist wissenschaftlich begleitet und erstellt für jeden Hof eine Anfangsbilanz und ein Entwicklungskonzept.
Mit drei wissenschaftlichen Instituten arbeitet die Andechser Molkerei und arbeiten die Klimabauern zusammen. Das ist das FIbL in der Schweiz, das Forschungsinstitut für biologischen Landbau, dann die Technische Universität München mit ihrem Wissenschaftszentrum für Ernährung, Landnutzung und Umwelt in Weihenstephan, und die Bioland-Stiftung.
Damit sich die Beteiligten untereinander besser austauschen können, Erfahrungen weitergeben und auch die regionale und überregionale Öffentlichkeit informieren können, haben Bäuerinnen und Bauern dann zusätzlich zur Andechser Initiative einen gemeinnützigen Verein gegründet.

Hightech im Stall
Was das alles konkret vor Ort bedeutet, haben mir Barbara Käsweber und ihr Mann Ludwig, der Vorsitzende des Bauernvereins, auf ihrem Naturland-Hof bei Ramerberg im Landkreis Rosenheim gezeigt. Und mir dabei auch ihre Milchkühe vorgestellt, die vom Frühjahr bis zum Winteranfang Zugang zu den Weiden haben, die um den Hof herum liegen.
Im Winter leben die Kühe in einem offenen Laufstall, den sie auch in der Weidezeit jederzeit besuchen können. Was sie auch tun. Im Stall nämlich wartet der Melkroboter.
Wenn die Kühe im Stall sind, fährt ein anderer Roboter die Stallgasse entlang und sorgt dafür, dass das Futter immer schön gleichmäßig vor die Mäuler geschoben wird.
Hightech im Kuhstall. Was man nicht unbedingt erwartet in einem eher kleinen Biobetrieb. Und die eigentliche Hightech-Anlage, die im Hintergrund werkelt, erkennt man nicht auf den ersten Blick. Die hängt nämlich unsichtbar hinter der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Kuhstalls.
Mit dem Beitritt zur Initiative KlimaBauer kamen in Ramerberg Wissenschaftler der Bioland-Stiftung auf den Hof, mit vielen Fragen und langen Fragebögen. Als Ergebnis der Datenerfassung des Hofes kam am Ende der Vorschlag heraus, neben vielen Umstellungen bei Ackerbau und Viehzucht, ein ganz neues Energiekonzept umzusetzen.
Ludwig Käsweber zeigt auf das Dach des Kuhstalls, »Wir haben eine Eigenstromanlage gebaut und ein Energiemanagementsystem, dass den Strom, der da anfällt, auf verschiedene Weise speichern kann.« Und diese Arten der Energiespeicherung unterscheiden sich stark von einem Privathaushalt.
Da gibt es zunächst, und soweit noch ganz normal, einen Batteriespeicher. Die sind inzwischen erschwinglich geworden und hängen auch hinter immer mehr privaten Photovoltaikanlagen. Nun aber wird’s speziell: »Wir haben einen Heißwasserspeicher für die Melkmaschinenreinigung und wir haben einen Kältespeicher für die Milchkühlung.«
Wenn die Anlage tagsüber mehr Strom liefert, als der Betrieb verbraucht, wird damit in einem Speicher Wasser aufgeheizt und in einem zweiten heruntergekühlt bis zur Eisbildung. Der Eisvorrat dient dann der Milchkühlung. Das heiße Wasser nutzt der Melkroboter für seine automatische nächtliche Grundreinigung.

Umbau der Landwirtschaft
Beim Blick auf die Tiere fragten die Wissenschaftler nach der sogenannten Remontierungsrate. Abgeleitet vom französischen Begriff für ein Ersatzpferd bei der Kavallerie geht es hierbei darum, wie oft und wie schnell eine der 55 Kühe im Stall durch eine Nachwuchskuh ersetzt werden muss.
Bei Betrieben, die den letzten Tropfen Milch aus den Kühen holen wollen, die entsprechend mit viel Kraftfutter arbeiten und die Tiere auch nicht mehr auf die Weide lassen, ist die Remontierungsrate hoch. Das heißt, die Kühe werden nicht alt. Hochleistungskühe gehen meist schon nach dem zweiten oder dritten Kalb zum Schlachter. Dann sind sie ausgelaugt, werden krank. Bei den Käswebers sehen die Kühe ihre Töchter und auch ihre Enkel aufwachsen.
»Wenn die Kühe älter werden, steigt die Lebensleistung, gemessen in Milch«, sagt Ludwig Käsweber. Damit sinkt in der Relation der CO2-Fußabdruck, den die Aufzucht der Kuh verursacht.
Die nächste Frage zu den Tieren war dann, wie lange sie auf der Weide sind. Die Weide ist ein umweltschonendes Fütterungssystem, das ohne Maschineneinsatz auskommt. Im Boden speichern Weiden außerdem mehr Humus und damit mehr Kohlenstoff, als das in Ackerböden oder auch in Waldböden der Fall ist.
Um den Humusaufbau ging es auch beim Blick auf die Äcker. Welche Kulturen werden dort angebaut? Wird dort mit Untersaaten gearbeitet, und mit Zwischenfrüchten wie Luzerne und Kleegras? »Alles Pluspunkte beim Humusaufbau.«
Auf der anderen Seite steht der Maisanbau. Wieviel Silomais baut der Betrieb als Winterfutter an? Mais ist ein Humuszehrer. Maisäcker verlieren also Humus, der Kohlenstoffspeicher im Boden schwindet. Deshalb haben die Käswebers ihren Maisanbau reduziert und setzen auf Heu.
Kleiner Exkurs dazu: Humus besteht zu rund sechzig Prozent aus Kohlenstoff, der von den Pflanzen zuvor aus dem Kohlendioxid in der Atmosphäre geholt wurde. Wenn wir jedes Jahr nur vier Promille zusätzlichen Humus in allen landwirtschaftlich genutzten Flächen der Erde aufbauen würden, dann wäre der gesamte menschgemachte zusätzliche CO2-Ausstoß dieses Jahres im Boden versenkt. Das schlug die Vier-Promille-Initiative der Franzosen beim Pariser Klimagipfel 2015 vor. Wenn, würden, wäre — alles Konjunktiv. Machen wir nicht. Wir verlieren eher Humus aus den Böden — auch durch den raumgreifenden Anbau von Mais für das Füttern von Tieren und Biogasanlagen.
Anerkennung
Barbara und Ludwig Käsweber wurden 2023 vom Bayerischen Landwirtschaftsministerium mit dem Sonderpreis für klimafreundliche Milcherzeugung ausgezeichnet. Das war damals der zweite Preis für die bayerischen Klimabauern, nachdem die Initiative der Andechser Molkerei schon am Anfang, 2021, vom Bundesumweltministerium mit dem Deutschen Umweltmanagementpreis ausgezeichnet worden war. 2025 folgte dann der Deutsche Nachhaltigkeitspreis für das Projekt.
Wobei der Preis für den Hof der Käswebers in Ramerberg vielleicht der erstaunlichste der drei Umweltpreise war, denn er zeichnete einen Betrieb aus, der erst fünf Jahre zuvor überhaupt auf biologische Landwirtschaft umgestellt hatte.
»Das war einfach ein System, das nicht mehr richtig war für mich«, sagt Ludwig Käsweber im Rückblick auf seine Zeit als konventioneller Milchbauer: »Das tut der Kuh nicht gut, das tut den Böden nicht gut, und es tut den Menschen nicht gut.«
Dazu kam etwas, das in den Gesprächen mit Barbara und Ludwig Käsweber immer wieder Thema ist: »Man hat da auch wenig Wertschätzung erfahren für seine Arbeit.« Das Ansehen der Landwirtschaft war im Keller. »Bauern-Bashing« nennt das Barbara Käsweber und Ludwig sagt: »Mich hat noch nie jemand dafür gelobt, dass ich den Mais so schön gespritzt habe, dass da überhaupt kein Unkraut drin war.« Wenn man als Bauer gelobt werden wolle aus der Bevölkerung, müsste man die Kühe auf der Weide haben. Das fänden die Leute schön.
Da passt das Gefühl der Leute, die Landwirtschaft von außen betrachten, mit den inneren Werten dieser Landwirtschaft mal zusammen. »Wenn du eine Anerkennung haben möchtest, eine Wertschätzung für deine Arbeit, dann musst du mit der Natur arbeiten und nicht gegen sie«, sagt Ludwig Käsweber.
Rückblick
Beim Rückblick auf seine Zeit vor der Umstellung auf Biolandwirtschaft zieht er eine bedrückende Bilanz. Er hat fünfzehn Jahre lang den eigenen Betrieb konventionell geführt und zusätzlich bei seinen beiden Schwagern, die Nebenerwerbslandwirte sind, die Feldarbeit übernommen. Das Ausbringen von Pestiziden inklusive. »Und heute sagt man: Wer Pflanzenschutzmittel ausbringt, hat ein erhöhtes Risiko, an Parkinson zu erkranken.«
Tatsächlich ist Parkinson seit einer Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Berufskrankheiten ÄSVB seit März 2024 eine anerkannte Berufskrankheit in der Landwirtschaft. Voraussetzung für die Anerkennung ist bei an Parkinson erkrankten Landwirten, die »Erfüllung des Dosismaßes von mindestens 100 trendkorrigierten Anwendungstagen mit Stoffen aus einer der drei Funktionsgruppen der Pestizide (Herbizide oder Fungizide oder Insektizide) durch eigene Anwendung«.
»Die hundert Anwendungstage habe ich sicher schon beisammen«, sagt Ludwig Käsweber. Und wenn er so weiter gemacht hätte, wohin wäre sein Risiko, zu erkranken, dann wohl noch gestiegen? Ob man da nicht schlicht sagen sollte, es ist falsch, mit diesen Pestiziden weiterzumachen, statt eine Nervenkrankheit einfach als Berufsrisiko einzustufen.
»Durch die Anerkennung als Berufskrankheit steigen jetzt die Kosten der landwirtschaftlichen Sozialversicherung ganz immens. Und die zahlen nicht die Pflanzenschutzmittelindustrie, sondern die bäuerlichen Betriebe.« Übrigens auch die Biohöfe, die diese Kosten gar nicht verursachen.
Eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie aus den USA legt nahe, dass das Krebsrisiko in Gebieten mit hohem Pestizideinsatz ebenfalls steigt. Besonders Leukämie, Non-Hodgkin-Lymphome, Darmkrebs, Lungenkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs sind dort deutlich häufiger.
In Deutschland haben wir erst nach dem Ausstieg aus der Atomenergie angefangen, überhaupt ein Krebsregister aufzubauen. Vorher hätte man ja sonst belegen können, dass in der Abluftfahne der Atomkraftwerke Krebserkrankungen häufiger sind. Nachher kann man nun auch nicht feststellen, ob Krebserkrankungen und langjähriger Pestizideinsatz in einem regionalen Zusammenhang stehen.

Umstellung
Mit der Umstellung auf Biolandwirtschaft haben Barbara und Ludwig Käsweber die Kühe rausgelassen. Mit dem Beitritt zur Initiative KlimaBauer wurde das noch einmal intensiviert. Jetzt soll der regelmäßige Weidegang für das Jungvieh folgen, also für den Nachwuchs der Kuhherde. Der hat bislang nur einen Auslauf und noch keinen ständigen Zugang zur Weide.
Als ich mir das alles vor Ort anschaute, faszinierte mich vor allem die Sache mit dem Melkroboter. Nicht wegen der Technik und der seltsamen Bewegungen der Roboterarme unter der Kuh. Auch nicht, weil die Kühe da so selbstständig und freiwillig in den Melkstand gehen, sondern weil ich zuvor ganz anderes zu diesem Thema gehört hatte.
»Melkroboter und Weidegang, das passt nicht zusammen«, haben mir andere Milchviehhalter gesagt, Biobauern ebenfalls. So ein Melkroboter funktioniert nämlich nur richtig, wenn die Kühe jederzeit Zugang haben. Sonst gibt es abends Stau und Gedränge, und dann gerne auch mal ruppiges Gerangel, wenn die Tiere von der Weide kommen und alle gleichzeitig zum Melken wollen. »Da kann man die Tiere nicht morgens auf die Weide bringen und abends wieder zum Hof holen«, haben mir die anderen Bauern gesagt. Um den Melkstand richtig auszunutzen, müssten die Tiere eigentlich im Stall bleiben.
Bei Barbara und Ludwig Käsweber in Ramerberg funktioniert es aber doch mit dem Melkroboter, weil ihre Weiden so um den Hof herum liegen, dass die Kühe auch von der Weide aus jederzeit Zugang zum Melkroboter haben. Und weil die Käswebers ihren Melkroboter eine Nummer zu groß gewählt haben für ihre Herde.
Auf ihrem für nord- und ostdeutsche Verhältnisse kleinen Hof leben 55 Kühe. Nicht alle werden jederzeit gemolken, weil immer ein paar sogenannte Trockensteherinnen dabei sind, also Kühe, die auf ihr nächstes Kalb warten und nicht gemolken werden. Der Melkroboter ist aber für 75 Kühe ausgelegt, also für die Hälfte mehr. »So entsteht nie Gedränge, kein Stress wegen des Melkens«, sagt Ludwig Käsweber.
Die Kühe gehen zum Melken, wenn sie das wollen. Und danach gehen sie auch wieder auf die Weide. »Sie wollen ja raus, denn die Weide – das ist ihr Revier!« Da hat Ludwig Käsweber einiges gelernt über seine Tiere, seit sie jeden Tag draußen sind.
»Ich muss ehrlich sagen, manchmal habe ich deutlich mehr Respekt vor den Kühen«, sagt er. Draußen würden sie durch ihr Verhalten eindeutig klar machen, dass die Weide ihr Gebiet ist. »Das ist nicht mein Herrschaftsgebiet, sondern eben ihr Revier. Der Boden ist weich, der Boden ist griffig, sie können da schon ganz schön stürmen.« Nicht dass sie wirklich dominant auftreten würden. Er fühle sich auch auf der Weide durchaus akzeptiert, und es sei auch einfach schön, die Herde in Bewegung zu sehen: »Einfach schön zum Zuschauen! Dass man sieht: Da ist noch eine Natürlichkeit in so einer Kuh. In ihrem natürlichen Lebensraum geht es ihr gut.«
Generell hat sich das Verhältnis zu den Tieren verändert durch die Umstellung auf Biolandwirtschaft und dann noch einmal durch den Beitritt zu den Klimabauern. »Es ist entspannter geworden für Tiere und Menschen«, sagt Barbara Käsweber, seit sie von dem Anspruch runter sind, dass ihre Fleckviehkühe Hochleistung bringen müssen. »Das Leben hat sich verbessert — für alle Beteiligten«. Das ganze Betriebsklima habe sich entspannt. Die Gesundheit der Herde hat sich verbessert. Was weniger an Milch fließe, werde beim Tierarzt eingespart, der früher viel öfter auf dem Hof war.
Entspannt habe sich auch das Verhältnis zu dem gesellschaftlichen Umfeld. »Jetzt spüren wir auch eine Wertschätzung für unsere Arbeit«, sagt Barbara Käsweber. Kein Bauern-Bashing mehr.
Andechs
Gut hundert Kilometer westlich von Käswebers Hof in Ramerberg, einmal um München herum, liegt die Molkerei, die sie mit ihrer Milch beliefern: die Biomolkerei in Andechs. Die größte Molkerei der Republik, die ausschließlich Bio-Milch verarbeitet. 220 Beschäftigte und rund 650 Zulieferer — und die einzige Molkerei, die ihren Biohöfen zahlt, wozu sich bislang nicht einmal alle Bundesländer durchringen konnten: eine Weideprämie.
Der Milchpreis wird regelmäßig mit den Bauern ausgehandelt. Auch das ziemlich einmalig in diesem Marktsektor. Entsprechend positiv ist die Einschätzung der Milchbäuerin Barbara Käsweber. Für sie ist die Andechser Molkerei ein Glücksfall. » Der Umgang mit dem Milchlieferanten ist einfach sehr partnerschaftlich und auf Augenhöhe. Und die Ziele in Sachen Klimaschutz, Tierwohl und Biodiversität sind die gleichen. Das macht das System rund.«

Geschäftsführerin Barbara Scheitz, die heute den Betrieb der Familie leitet, deren Urgroßeltern 1908 die Molkerei in Andechs gegründet haben, bietet den Höfen, die sich der Initiative KlimaBauer anschließen, noch einmal mehr. Und sie plant auch gleich noch den nächsten Schritt.
Die inzwischen rund hundert Klima-Höfe bekommen für ihren zusätzlichen Aufwand einen jährlichen Klimabonus. Dabei geht es darum, was an CO2 eingespart worden sei. »Wir haben verstanden, dass die Landwirtschaft zwei Drittel ihres CO2-Ausstoßes reduzieren und zu einem Drittel kompensieren kann«, sagt Barbara Scheitz. Das besagen die Daten, die sich die Andechser von ihren wissenschaftlichen Partnern aufarbeiten ließen. »Und dafür bekommen die Klimabauern einen jährlichen Bonus, dessen Höhe über die Erfassung der Hofdaten ermittelt wird.«
Ökosystemdienstleistung
Die wissenschaftlichen Daten liefern aber noch viel mehr – nämlich eine generelle Einschätzung der Wirkungen der ökologischen Landwirtschaft im Vergleich zur konventionellen. Um diesen Vergleich schwarz auf weiß zu haben, hat die Molkerei ihre wissenschaftlichen Partner gebeten, doch mal die Forschung der letzten Jahre auszuwerten, die es dazu gibt. Die übrigens öffentlich beauftragt wurde und dennoch irgendwie brach liegt, weil die Politik aus der von ihr bezahlten Forschung keine Konsequenzen zieht. Herausgekommen ist eine Studie mit dem Titel »Umwelt- und Klimawirkungen des ökologischen Landbaus«. Veröffentlicht in der Reihe »Weihenstephaner Schriften«.
Wenn die Entscheider in Berlin mit den Ergebnissen der von ihnen beauftragten Forschung nichts machen wollen, dann passiert das halt in Andechs, hat sich Barbara Scheitz gesagt. Denn da gibt es ein für sie sehr interessantes Ergebnis: Die Ökosystemdienstleistungen der biologischen Landwirtschaft betragen mindestens achthundert Euro pro Jahr und Hektar. Das sind einerseits die Kosten, die die ökologische Landwirtschaft der Gesellschaft erspart. Geld, das sonst für die Beseitigung von Umweltschäden und Klimafolgekosten ausgegeben werden müsste. Andererseits ist das gesamtgesellschaftlicher Gewinn, der den Bauern nicht bezahlt wird.
Die Zukunftskommission Landwirtschaft, ebenfalls bezahlt und eingesetzt von der Bundesregierung, hat relativ unwidersprochen die gesellschaftlichen Folgekosten der deutschen Landwirtschaft auf neunzig Milliarden Euro im Jahr beziffert. Wenn die Biolandwirtschaft Ökosystemdienstleistungen — also positive Effekte — im Wert von achthundert Euro pro Jahr und Hektar gut macht, dann wäre die politische Antwort klar: Mehr Bio fördern, bedeutet weniger Steuergelder in den Reparaturbetrieb versenken. Der hat in der Klimakrise mit all ihren Überschwemmungen, Dürren und Waldbränden schon jetzt erhebliche Ausmaße, die in Zukunft noch deutlich steigen werden.
Logische Folgerung der Chefin der Andechser Molkerei auf die Ergebnisse der Überblickstudie aus Weihenstephan: Dann können wir doch für all das, was unsere Bauern gut und besser machen gegen die Krisen, auch einen Bonus verlangen. Weil Barbara Scheitz nicht Politikerin ist, sondern Unternehmerin, denkt sie dabei nicht an Abgaben oder Subventionen, sondern an handelbare Zertifikate.
»Grundsätzlich kann ich mir vorstellen, dass wir die achthundert Euro Ökosystemdienstleistungen pro Hektar und Jahr als Kompensation anbieten können, in der Wirtschaft und in der Gesellschaft.« Da wäre dann der nächste Schritt des Projekts KlimaBauer: Der Verkauf von Zertifikaten an Unternehmen und Institutionen, die ihre Klimaprobleme angehen wollen, sie aber alleine nicht in den Griff bekommen, weshalb mindestens ein Teil kompensiert werden muss.

In Österreich gibt es den Handel mit Humuszertifikaten schon, in Deutschland gibt es Ansätze dazu, und auch die entsprechenden wissenschaftlichen Arbeiten über Humusaufbau und Pflanzenkohle wie die vom Gießener Ökoprofessor Andreas Gattinger. Dabei geht es aber allein um den Humusaufbau im Boden, also die möglichst dauerhafte Speicherung von Kohlenstoff, der in der Atmosphäre sonst das Klima aufheizen würde. Der Andechser Ansatz ist umfassender, weil er Tierwohl, Biodiversität und den Erhalt der Kulturlandschaft gleich mit im Blick hat.
Wir Verbraucherinnen und Verbraucher können bei der alltäglichen Entscheidung am Kühlregal uns erst einmal schlicht für das ökologisch bessere Produkt entscheiden, das ganz nebenbei auch noch zukunftsfähig ist. Es fördert nämlich auch die Weide, und die ist die ursprünglichste Form der mitteleuropäischen Landschaft. Das habe ich schon öfter breit ausgeführt, zuletzt in dem Podcast »O schöner Weidewald« und im zugehörigen Blog, weshalb es hier nur noch einmal abschließend erwähnt sei.